von Nils von Kriegsheim und Kinder-Reporterin Ida – Im Mai starten die Fantastischen Vier ihre große Tour zum 30 jährigen Jubiläum. Wir haben Thomas D vorab in der Frankfurter Commerzbank Arena getroffen und ein wenig geplaudert. Natürlich über 30 Jahre Fanta 4, die anstehenden Shows und über Thomas D als Person. Heraus gekommen ist das Bild eines vielschichtigen, selbst reflektierten und sozial engagierten Menschen, der sich trotz seiner Popularität nicht über andere stellt.

Thomas, unglaublich – 30 Jahre Bandgeschichte. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt sich das an, was bedeutet das für dich?

Ja, das ist crazy. Das ist was ganz anderes als das eigene Alter. Ich bin jetzt 51, da kann ich nichts mit anfangen, aber mit 30 Jahren Bandgeschichte, das ist schon was. Ich empfinde eine große Dankbarkeit und bemerke ein großes Staunen bei mir selbst, wie das gelingen konnte und kann. Und wenn man sich in Deutschland umschaut, da gibt es die Toten Hosen und Die Ärzte, und viel mehr Gruppen gibt es denn da nicht mehr mit einer so langen Historie. Das ist schon selten. Auch dass sich der Erfolg noch steigert – jetzt spielen wir Stadien. So viele Leute kamen noch nie. Das bringt aber auch die Verantwortung mit sich, das gebührend zu vertreten. Ich empfinde das nicht als normal oder selbstverständlich. Ich werde alles dafür geben, diesem Erfolg auch gerecht zu werden.

Was waren deine Highlights und was hat nicht so gut geklappt?

Das Konzert Unplugged 1 in der Balver Höhle war grandios, ein Ritterschlag für uns, nach dem sich einiges verändert hat. Davor herrschte so die Meinung „Die spielen ja gar keine richtigen Instrumente“ und „das kommt ja alles aus dem Computer.“ Und plötzlich haben die Leute gesehen, dass unsere Musik auch mit echten Instrumenten funktioniert und auch einen musikalischen Anspruch hat. Der Wahnsinn war auch die „20 Jahre Fanta 4 – Sause“  mit 65.000 Leuten auf der Cannstatter Wasen.

HeimspielDas 20 Jahre Jubiläums-Fanta-Konzert auf der Cannstatter Wasen amazon_icon

Aber auch kleine Geschichten fallen mir da ein. DIE DA war Fluch und Segen zugleich. Wir haben das 20 Jahre nicht gespielt, weil es ein gespielter Witz war, aber gleichzeitig hat das so viel bewegt. Das Selbstverständnis, die eigene Muttersprache zu benutzen, wurde in der Radiolandschaft wieder akzeptiert, genauso wie im Rap und im Gesang. Und dann MFG, ein Song der nur einmal geschrieben wird, egal von wem. Das muss man sich mal vorstellen. Da erfindest du ein eigenes Genre (Song mit Abkürzungen) und nachdem du den Song geschrieben hast, ist das Genre aber auch schon wieder zu. Da kann nichts mehr kommen.

Auf der anderen Seite haben wir bestimmt auch Fehler gemacht. Der größte Fehler war sicherlich, dass wir DIE DA für Werbezwecke an einen Fruchtsaft-Hersteller verkauft haben. Wir haben viel Geld dafür bekommen, aber für den schlechten Werbespot, der daraus entstanden ist, war es dann doch viel zu wenig. Da wurde der Song ziemlich kaputt gemacht. Danach war Werbung erstmal 10 Jahre lang kein Thema mehr für uns. Aber auch das war eine gute und wichtige Erkenntnis. Weil du nichts veränderst, wenn dir alle auf die Schulter klopfen. Aber wenn du was falsch machst, das ist spürbar und der Schmerz ist ein großer Lehrmeister. Und das bringt dich weiter. Letztlich haben wir wegen DIE DA und dem ganzen Wahnsinn DIE VIERTE DIMENSION gemacht, bis heute eines unserer Lieblings-Alben, weil wir der Welt zeigen konnten, dass wir mehr sind, als die lustigen „DIE DA – Rapper“.

Und dann war da noch MUSIK LIEGT IN DER LUFT mit Dieter-Thomas Heck. Unsere Plattenfirma meinte, dass wir unbedingt ins Fernsehen müssten und diese Sendung sehen viele Millionen Menschen. Und wir dachten, ok – von unseren coolen Kumpels aus Stuttgart sieht das eh keiner. Natürlich bekamen wir das gleich am nächsten Tag aufs Brot geschmiert. Da haben wir auch nur gesagt:“ Das Verbrechen ist nicht, dass wir dort waren, sondern, dass du sowas guckst.“ Auf der anderen Seite werde ich die legendäre Anmoderation vom großartigen Dieter-Thomas Heck, einem Original der deutschen Fernsehgeschichte, niemals vergessen.

Vor 30 Jahre war es ja Standard, dass Alben auf Vinyl veröffentlicht wurden. Das kommt heute zwar wieder, ihr habt ja auch gerade eure Alben als Vinyl neu aufgelegt. Was hast du persönlich für ein Verhältnis zur Schallplatte?

Es gab in Stuttgart einen Import-Store, der hat dann eine neue HipHop-Platte genau zweimal im Sortiment gehabt. Und da wusstest du genau, wenn ich die jetzt mit nach Hause nehme, dann bin ich in Stuttgart genau Einer von Zweien, der diese Platte besitzt. Dann hat man sich mit Kumpels zum Platten hören getroffen, denn man konnte die Musik nur hören, wenn man auch die Platte hatte. Dadurch hatte Musik einen ganz anderen Wert als heute, wo diese überall und immer verfügbar ist. Da wurde die Nadel immer wieder auf das coole Intro oder das geile Gitarrensolo zurück gesetzt. Da wurde Musik inhaliert. Heute muss erstmal der Refrain kommen, und zwar ziemlich schnell, die Strophe muss dafür ziemlich kurz sein und es muss von vorneherein „hooken“, sonst wird das auf Spotify sofort geskippt.

Neu aufgelegtDie Alben der Fantastischen Vier auf Vinyl amazon_icon

Aber die Akzeptanz der LP steigt wieder. Auch weil die Leute es satt haben, gelangweilte Musik, aufgelegt von gelangweilten DJs, für ein gelangweiltes Publikum zu konsumieren, das nach Hits lechzt – egal was dahinter steckt. Ich möchte die Musik fühlen, sie in der Hand haben. Mein Gott, was vermisse ich die Plattencover. Da wurde noch Kunst gemacht. Schon mit den CD-Covern war das vorbei. Ich kriege die Kriese, weil man die Mini-Cover auf Spotify nicht groß klicken kann. Und wenn der Titel zu lang ist, wird der nicht mal mehr komplett angezeigt. Heutzutage muss das Cover also auf einem Quadratzentimeter funktionieren und der Titel muss für die Anzeige kurz genug sein.

Natürlich gibt es Gegenbeispiele. Eine Platte wie LEKTIONEN IN DEMUT, die ist schwierig. Die will sich dir auch nicht sofort eröffnen. Erst wenn du bereit bist, dann hör sie dir an. Und da gibt es immer wieder Künstler, die genau das wollen. Die diese weichgespülten Nummern satt haben. Da kann es auch mal weh tun. Da dauert es halt mal, bis man die Platte versteht.

Thomas D – Lektionen in Demut amazon_icon

Früher habe ich 16 D-Mark ausgegeben für eine Platte und dann musste die gut sein. Und wenn die beim ersten Mal nicht gut war, dann wurde sie ein zweites und drittes Mal gehört. Und wenn sie beim 5. Mal immer noch nicht gut war, dann hat mein Schwabenherz geblutet ob des Fehlkaufs. Aber genau solche Emotionen und Erlebnisse, kannst du mit Vinyl haben.

Die Fantas sind jetzt seit 30 Jahren zusammen. Verstehst du dich immer noch so gut mit den anderen Kollegen wie am Anfang?

Naja, das hat sich schon verändert. Wir bezeichnen das gerne als Familie. Und es ist da auch so wie in einer Familie. Da sehen und sprechen wir uns auch längere Zeit mal nicht. Auf der anderen Seite haben wir so viel Zeit miteinander verbracht, wie mit niemandem sonst. Wir kennen uns in- und auswendig. Wir sehen sofort, wie der andere sich fühlt. Auch wenn wir Charaktereigenschaften haben, die die anderen vielleicht mal nerven, weißt du auf der anderen Seite auch sehr deutlich, was man an den anderen hat.

Und ab Mai geht es jetzt auf große Jubiläums Tour. Immerhin knapp 20 Konzerte in 6 Wochen – wie bereitest du dich darauf vor?

Ich bin total in der Vorbereitung. Wir haben auf der letzten Tour den KRIEGER nicht gespielt. Aber ich bin jetzt über 50 und wenn wir das wieder spielen wollen, dann bin ich traditionell mit nacktem Oberkörper am Start. Und da hab ich mir gesagt, Fitness muss auf jeden Fall auf ein anderes Level. Ich habe mit dem Training bereits vor Weihnachten begonnen und bin jeden Tag am pushen. Ich will für die Tour total fit sein.

Aber das Lustige ist, dass du auch ohne konditionelle Vorbereitung auf der Bühne immer alles gibst. Die Energie ist da so heftig, das geht gar nicht anders. Ganz anders ist das, wenn wir proben. Da liegen wir beim Rappen auf dem Boden, weil alles so anstrengend ist. Und bei der Show, da läufts du dann beim Rappen über die Bühne – da geht das alles wie von selber. Aber die Erholungszeit außen rum, da ist die Energie dann raus, da gibt es tagsüber viel Halbschlaf.

Bist du noch aufgeregt vor einem Konzert?

Also wenn wir das Stück zum ersten Mal spielen, dann ist da schon noch eine Aufregung da. Aber auch hier, wenn ich heute zu unserem Treffen in die Commerzbank Arena komme, wo wir ja auch spielen, dann bekomme ich direkt Gänsehaut. Und die ersten Shows auf der Tour, da wird sicher vor Beginn auch noch eine Anspannung da sein, gerade weil es eben auch eine neue Show ist. Aber schon beim zweiten oder dritten Mal ist das dann auch vorbei.

Was können die Fans von der 30 Jahre Fanta-Show erwarten? Kannst du schon was verraten?

Klar, ich kann ein bisschen was verraten. Was erwartet man von einem Jubiläum? Da erwartet man geladene Gäste, dann nimmt sich jeder ein Glas und dann kommt die Rede – wie man es eben kennt – Das werden wir auf keinen Fall machen. Das Wichtigste ist, dass die Show rockt – und zwar von vorne bis hinten. Das Ding muss ein Kracher werden! Es darf in keinem Augenblick so klingen als wären da vier über 50-jährige, die das seit 30 Jahren machen – genau das Gegenteil soll es sein. Keine Längen, keine Lücken. Vollgas mit einem extra fürs Stadion neu zusammengestellten Programm.

Die Specials zur Show sind noch im Gespräch. Was ich sagen kann ist, dass wir nicht mit einem Orchester auftreten werden. Aber ein paar Bläser werden heiß diskutiert, die können auch schön Druck machen. Und dann wollen wir ein paar kleine aber feine Momente kreieren.

Ich hatte da z.B. so einen Schlüsselmoment auf einem U2-Konzert. Bei dem Song ONE, eine wunderschöne Ballade, feuern U2 ein richtiges Feuerwerk ab. Und dann ist da Einer im Publikum, der eine selbst gebastelte Papier-Laterne steigen lässt. Und dann steigt dieses eine Licht zu diesem Song ONE ganz allein aus dem Publikum auf. Das war ein toller Moment, den ich nie vergessen werde. Solche Momente würden wir auch gerne schaffen. Erinnerungen, die du mit nach Hause nimmst. Die können ganz einfach sein.

Wir machen keine Mittelbühne, das ist im Stadion sehr schwierig. Wir konzentrieren uns auf eine Bühne und verlassen diese auch nicht, außer wenn Smudo vielleicht wieder ins Publikum geht. Insgesamt wollen wir den Geburtstag gebührend feiern. Da gehören alle unsere Hits dazu und Stücke, die wir lange nicht gespielt haben oder quasi noch nie.

Kennst du die Texte von ganz alten Songs noch auswendig oder mußt du die neu lernen?

Tatsächlich ist es so, dass ich mir die Texte von ganz alten Songs nochmal anhören muss. Aber dann kommt das schnell wieder. Neulich war ich sehr überrascht, dass ich noch eine dritte Strophe rappen musste. Die war mir komplett entfallen. Aber das ist auch schön, da entdeckst du deine eigenen Texte nochmal neu.

Neben dem Musiker Thomas D erlebt man dich vor allem auch als sehr sozial engagierten Menschen. Du engagierst dich für Tiere und Menschenrechte und erklärst in der ARD (Wissen vor Acht) den Zuschauern die Natur. Reizen dich Formate wie The Voice of Germany oder Sing meinen Song nicht?

Nee, das ist gar nicht mein Fall. Damals hatte mich Stefan Raab in die Jury für  UNSER STAR FÜR BAKU eingeladen. Da habe ich dann den Roman Lob gefunden, mit dem ich bis heute befreundet bin. Aber ich habe gemerkt, dass mir das so nicht gefällt. Mich interessiert auch Fernsehen nicht, ich schaue selbst auch nicht. Ich habe mal TVOG gesehen mit meinen Jungs. Allein die Werbepausen – das hälst du ja nicht aus.

Woran sollte man als erstes denken, wenn er den Namen Thomas D hört?

Ich kann zum Beispiel mit relativ einfachen Worten ein Gefühl ausdrücken, das halte ich für eine meiner besseren Fähigkeiten. Mein Appell an die Menschen ist, dass wir sehen, dass wir auf einer Welt leben und dass unser Denken und Handeln einen Effekt hat. Und ich bin ein guter Handwerker. Und ich bin auf dem Boden geblieben. Der Thomas D, der ist so, wie er sich gibt und er ist nicht besser oder schlechter als andere. Das würde mir gefallen.

Behindert dich die enorme Bekanntheit der Band bei deinen anderen Projekten oder ist das eher förderlich?

Ich nutze meine Bekanntheit aus, genau wie andere mich wegen meiner Bekanntheit ausnutzen. Ich benutze meine Popularität, um auf Themen hinzuweisen, die wesentlich größer sind als ich. Wenn ich zum Beispiel mit JUSTDIGGIT Externer link darauf hinweise, dass man durch Löcher graben in Afrika das Klima verändern kann, dann mache ich das gerne. So mache ich das auch mit PETA Externer link, Amnesty International Externer link, Terres des Hommes Externer link oder anderen. Die Helden sind dabei diejenigen, die jeden Tag dafür kämpfen, dass keine Kinder verhungern oder dass Menschen frisches Wasser bekommen. Und wenn ich die supporten kann, indem ich mein Gesicht in die Kamera halte, dann mache ich das liebend gerne.

Und als Privatmensch? Kannst du dich „frei“ bewegen, oder wirst du an jeder Ecke angesprochen?

Es gibt Phasen. Wenn die Fantas was Neues haben oder auch wenn Smudo und Michi bei TVOG sind, dann merke ich schon einen Anstieg in der Wahrnehmung. Ansonsten ist das total überschaubar. Und dann habe ich gemerkt, dass ich sobald ich Blickkontakt mit jemandem auf der Straße habe, dann kann was passieren. Wenn ich also nicht angesprochen werden möchte, versuche ich den Blickkontakt zu vermeiden. Insgesamt versuche ich mich dann einfach unauffällig zu verhalten.

Was kommt als Nächstes? Wie geht es weiter mit den F4? Was plant Thomas D?

Ich arbeite an einer neuen Solo-Platte. Ich habe da aber keinen Druck. Dafür habe ich eine Vision, ich weiß, wohin es gehen soll. Das wird aber noch länger dauern. Vorher möchte ich noch als Solokünstler mit meinen alten Sachen und mit neuer Band live gehen.

Dass die Fantas eine neue Platte machen ist auch ungeschrieben bestätigt. Wir können ja jetzt nicht die 30 Jahre Sause machen und danach kommt dann nichts mehr. Dann musst du natürlich zeigen, dass du noch am Leben bist.

Thomas, vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Projekten und freuen uns auf die große Fanta-Show.

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